Fahnen an den Fenstern

Reise nach Kastillen La Mancha – Kultur in Toledo und gutes Essen in der Provinz

An einem warmen Tag im Juni 2009 wartete ich im Flughafen Madrid-Barajas aud die Ankunft des Iberiafluges 3523 aus Düsseldorf mit Frau Montserrat Cañamero Lopez und verschiedenen Journalisten aus NRW. Die Maschine landete pünktlich um 14.40 Uhr und ebenso pünktlich fuhr unser Bus nach Toledo ab, der nach nur einer Stunde Fahrt in Toledo ankam. Wir bezogen unser Quartier im Hotel Hesperia, welches nur gut einen Kilometer vom Fuße der Altstadt der historischen Stadt entfernt liegt und liefen nach dem Frischmachen durch das Stadttor Puerto de Bisaga in die Altstadt Toledos hinein.
Riesenfiguren-Giganten

Diese Riesenfiguren werden Giganten genannt

Die Stadt war so festlich geschmückt, wie ich es noch nie vorher in einer Stadt gesehen habe. Fahnen in den unterschiedlichsten Farben und mit den unterschiedlichen Familienwappen geschmückt hingen an den Fenstern und Balkonen, ebenso wie Weihrauchgefäße und bunt dekorierte Schaufenster. Das Feierlichste aber waren die gut gelaunte Menschenschar, die sichtlich auf etwas wartete. Wie auch immer, die Sonne schien und, obwohl bereits der frühe Abend angebrochen war, war es noch recht heiß. Irgendwie wie von selber saßen wir plötzlich an einem der Tische auf dem Plaza Zocodóver, aßen einige Tapas und tranken eine Cerveza dazu, aber genauso schnell waren wir wieder auf den Beinen: Die fröhlich, angespannte Stimmung in der Stadt machte uns neugierig auf das, was da wohl kommen würde. Mütter mit ihren Kindern, Väter, Omas und Opas - die Menschen standen am Straßenrand wie vor einem Rosenmontagszug oder Schützenumzug.

Prozession

Ernste Gesichter bei der Prozession

Schließlich passierte auch wirklich etwas. Musik erklang und bunte Figuren wurden in der Calle Comercio erkennbar. Diese vier bis fünf Meter hohen Figuren, die die Kontinente unserer Erde symbolisierten, wurden von Musikgruppen begleitet. Die Figuren waren auf auf Gestellen mit Rädern befestigt und wurden von kräftigen Männern im Gleichgewicht gehalten, auf den teilweise abschüssigen Gassen kein leichtes Unterfangen. Aus dem Grund wurden diejenigen, die es schafften, ihren Figuren anmutige Bewegungen zu verleihen von den Zuschauern des Umzuges begeistert beklatscht. Nach etwa einer Stunde war alles vorbei und wir schlenderten durch die Stadt, bevor wir zum Abendessen aufbrachen.

Adolfo Muñoz mit Sohn Adolfo Javier

Vor dem Essen standen allerdings noch eine Kellerbesichtigung und eine kleine Weinprobe auf dem Programm. Der Sommelier (Kellermeister/Weinkellner) und jüngster Sohn des Chefs Adolfo Muñoz führte uns durch die Räume den Weinkeller. Anschließend ließ uns Javier Muñoz einen hervorragenden Manzanilla-Sherry aus Sanlúcar de Barrameda probieren, allerdings nicht ohne die Gläser sorgfältig mit einer kleinen Menge desselben Weines neutralisiert zu haben.
Nach dem langen Tag war unsere Konzentrationsfähigkeit etwas überstrapaziert und so waren wir froh Platz nehmen zu können. Das Menü ließ nicht lange auf sich warten und erfüllte auch unsere hohen Erwartungen, nur der Service war weder perfekt und nur mäßig freundlich, eine Diskrepanz zwischen Küche und Service, der man in guten Restaurants des Öfteren begegnet. Aber, am Ende des Abends begrüßte uns der Chef Adolfo persönlich und nahm sich viel Zeit für uns, beantwortete unsere Fragen und erzählte von seinen Freundschaften mit bekannten Küchenchefs.
Außerdem gab es noch für jeden ein Glas Champagner, da die Kristin, die jüngste aus unserer Gruppe, Geburtstag feierte. Es war spät geworden und die meisten von uns waren froh zum Hotel zurückzukehren.

Weinkeller

Donnerstag: Frohnleichnam - Festtagsstimmung

Am nächsten Morgen ging es für uns recht gemütlich los, schließlich wollten wir erst um 10.30 Uhr oben in der Stadt sein. Bereits der Spaziergang zur Stadt hoch war ein Vergnügen. Die Sonne schien, aber brannte noch nicht vom Himmel, die Straßen und Häuser waren geschmückt. Polizisten riegelten die Straßen ab und eine Kompanie Soldaten und Soldatinnen marschierte auf und verteilte sich pärchenweise entlang des Prozessionsweges.
Auf der Plaza Zocodóver waren entlang des Prozessionsweges Stuhlreihen aufgestellt. Für uns waren Stühle reserviert, sogar im Schatten, und so konnten wir recht bequem auf die Dinge warten, die da kamen. - Für mich als Protestant war es die erste Prozession, die ich mitmachte.

Fronleichnam

Zwar kannte ich Fotos und Filmaufnahmen, trotzdem ist das hautnahe Erleben immer noch etwas ganz anderes. Das farbenfrohe Geschehen wurde durch die erwartungsfrohe Stimmung der Menschen noch verstärkt, ebenso durch die salbungsvollen Ansprachen und kirchlich-festliche Musik die über Lautsprecher, für Spanien untypisch, mit moderater Lautstärke das Geschehen begleitete.
Um 12 Uhr, mit einer Stunde Verspätung begann die eigentliche Prozession. Wir waren mitten im Geschehen, da unsere Stuhlreihe die Letzte war und hinter uns viele Menschen standen, in unserem Fall ältere Damen, die bereits zwei Stunden vor der Prozession hier warteten. Da ein Stuhl unserer Gruppe unbesetzt blieb (wir waren zu Elft und nicht zu zwölft) konnten wir einer älteren Dame einen Sitzplatz verschaffen, was uns die Sympathie der Umstehenden einbrachte.

Toledo

Neben den ergriffenen Gesichtern der Prozessionsteilnehmer war die permanente Arbeit der Damenhände im Publikum, die die kunstvollen Fächer betätigten, irgendwie witzig anzuschauen: Spanien wie aus dem Bilderbuch.
Der Höhepunkt der Prozession, dass würdevolle Vorbeitragen der Monstranz - war auch gleichzeitig ihr Ende und so erhoben wir uns von unseren Plätzen und stürzten uns in die Menschenmasse. Alle Zuschauer und Teilnehmer strebten gleichzeitig ihren jeweiligen Zielen zu, was stellenweise zu einem unbeschreiblichen Gedränge führte.
Naja, irgendwann hatten auch wir unser Ziel, den Bus, der außerhalb der Stadt parkte, erreicht und so waren wir schnell im Hilton Hotel etwas außerhalb der Stadt. Das erst zwei Jahre alte Hotel befindet sich in den Gemäuern eines Palastes aus dem 16. Jahrhundert und liegt nur fünf Autominuten von der Altstadt entfernt.

Musik

Das Luxushotel bietet speziell in den Sommermonaten erstaunlich günstige Angebote, da die üblichen Geschäfts- und Messegäste in der Zeit fehlen, ideal für alle, die nicht nur Toledo kennenlernen möchten, sondern auch den Spabereich des Hilton-Hotels ausgiebig nutzen möchten. All dies erfuhren bei einer Hotelführung, bzw konnten dies bei einem Besuch im Spa- und Wellnessbereich selber erleben.
Danach ging es ins Hotel-Restaurant zum Lunch. Die Mehrzahl der Mitglieder unserer Gruppe war nicht restlos begeistert, das Vorspeisen-Büfett wies keinerlei Highlights auf und der Thunfisch zum Hauptgang war etwas trocken, nur die Desserts überzeugten wirklich. Eine echte Überraschung war allerdings das hoteleigene Museum. Ein kleines Museum mit großen spanischen Meistern aus den letzten 400 Jahren. Einfach überwältigend. Damit war unser Besuch beendet und wir machten uns auf den Weg zurück in unser Hotel Hesperia.

Kunstvolles Dessert


Abends war dann ein weiterer kleiner Stadtbummel angesagt, vor allem deshalb bemerkenswert, weil viele der berühmten Innenhöfe Toledos geöffnet hatten, Innenhöfe, die normalerweise für Besucher geschlossen bleiben. Anschließend ging es in das fünf-Sterne-Hotel Palacio Eugenia de Montijo zum Essen. Das angeschlossene Restaurant servierte angenehm unaufdringlich und freundlich ein sehr leckeres kleines Menü bestehend aus einem Salat mit Ziegenkäse und Entenfilet, Kartoffelpraline und Lachs auf Tomatencoulis und einem kleinen Dessertteller.
Vor allem der aromatisch-saftige Lachs begeisterte absolut alle Reiseteilnehmer, sodass sich eine andächtige Stille ausbreitete: Etwas, was sehr selten vorkommt! Nach dem Mittagsmenü war das leichte Menü genau das Richtige für den Abend, genau die passende Menge und auch die Weine passten gut dazu. Hinterher wurde noch ein Kaffee gereicht und ich ließ mir einen 1982er Bas-Armagnac in der stilvollen Hotelhalle schmecken.

Consuegra

Freitag

Am nächsten Tag stand eine Stadtführung durch Toledo auf dem Programm. Dabei bildete der Besuch in der Kathedrale unerwarteter Weise - den absoluten Höhepunkt der Führung. Die Kathedrale bot so viele überraschende Eindrücke, dass jedem auch nur etwas Kunstinteressierten geraten werden kann, eine deutschsprachige Führung zu buchen oder sich anhand eines Fachbuches vorzubereiten. Allein die Krypta mit seinen Kunstwerken von Goya ist einmalig.
Aber, ganz Toledo ist wie ein riesiges Freilichtmuseum. Das liegt daran, dass Toledo 1561 der damalige spanische König Philipp II. die Hauptstadt nach Madrid verlegte und Toledo danach in eine Art Dornröschenschlaf verfiel. Auch die industrielle Revolution ging an der Altstadt spurlos vorbei.

Im Laufe des Vormittags wurde es immer wärmer, die Temperaturen stiegen auf über 35 Grad im Schatten, so waren wir froh, in den klimatisierten Bus zu steigen und eine Fahrt zur Bodega Casas de Valle zu fahren. Hier wurden wir aufs Charmanteste von Frau Sara Corrales der Repräsentant des Hauses begrüßt und anschließend zu einer kleinen Rundtour durch die Weinberge der Bodega eingeladen. Hier erfuhren wir einige interessante Details über die noch recht jungen Weinfelder über die Bewässerung, den Schnitt usw.
Anschließend probierten wir Weine aus den drei Hauptreben Cabernet Sauvignon, Merlot und Shiraz (Syrah) und ließen uns die dazu servierten Leckereien schmecken. Höhepunkt war Migas, eine Spezialität der Region. Es besteht aus Chorizo, Speck, pochierten Eiern, Gemüsen und Gewürzen und fein zerkleinertem Brot.
Ein Gericht, das geteilter Echo hervorrief, ich persönlich fand es sehr lecker, eine leckere Spezialität. Anschließend testeten wir noch jeweils einen jungen Cabernet Sauvignon und Syrah vom Fass und besichtigten die Weinkeller, mit dem Fass- und dem Flaschenlager, der Abfüll-und Etikettieranlage und dem Büro, in dem die Weine analysiert werden.

Sigueenza

Aber der Nachmittag war für uns noch nicht zu Ende. Da wir schon mal in der Gegend waren, wollten wir noch die berühmtesten Windmühlen der Welt sehen. Und so fuhren wir über Autobahn und Landstraße bis zur Kleinstadt Consuegra, durch sie hindurch und dann bergauf bis zu den sieben Windmühlen, die südlich des Ortes auf einer Bergkette thronen und als eines Wahrzeichen Spaniens bekannt sind. Es sollen zudem die Mühlen sein, gegen die Don Quijote gekämpft hatte.
Abends steuerten wir nicht die Altstadt von Toledo an, sondern den am Rande der Stadt liegenden Parador. Für uns war ein Tisch im Restaurant in diesem stattlichen Luxushotel reserviert, allerdings hätte uns ein Aperitif und einige Tapas auf der Terrasse als Abendessen gereicht. Es war Abenddämmerung und der Blick über Toledo war einfach grandios. Hier den Sonnenuntergang in Ruhe zu genießen wäre sicherlich herrlich gewesen. Wir aber aßen im Restaurant, das etwas kalt wirkte. Das Essen war sehr dem Geschmack der Gästeschar aus allen Herren Ländern angepasst, auf gut Deutsch, es war recht belanglos, der Service routiniert, aber wenig herzlich. Nach dem Essen ging es zurück nach Toledo. Die Straßen waren voller Einheimischer und Touristen, die flanierten oder den Flamenco-Darbietungen vor der Kathedrale lauschten.

Atienza-Burgblick

Landschaft bei Atienza

Samstag

Am folgenden Tag fuhren wir halb um Madrid herum, zu der 120 Kilometer nördlich der Hauptstadt liegenden Ortschaft Sigüenza. Unsere Unterkunft war der Parador der Stadt, der in ein sehr romantischer Parador in einer herrlichen alten Burg über der Stadt gelegen. Neben der gediegenen Einrichtung und den hinter dicken Burgmauern liegenden und sehr ruhigen Zimmern, ist vor allem der hübsche Innenhof die Attraktion des Paradors. Es war inzwischen Essenzeit und so marschierten wir immer bergab, vorbei am Marktplatz bis zum Restaurant El Doncell, leider lag dort keine Reservierung vor, was nicht weiter schlimm war, da wir bei der Hitze sowieso eher Appetit auf einige Tapas hatten. Die nahmen wir vor einer Tapas-Bar am Marktplatz ein.

Anschließend bummelten wir durch Sigüenza und besichtigten die Stadt, allerdings in der größten Hitze. So wirkte der Besuch in der kühlen Kathedrale ungemein erfrischend, was den Vorteil hatte, dass wir die das Innere der Kathedrale mit ihrer Kunstsammlung so richtig genießen konnten. Neben der Burg, in der wir ja wohnten, ist die Kathedrale die größte Sehenswürdigkeit in der Stadt, aber die Stadt hatte noch etwas mehr zu bieten, wie wir später erleben durften.
Aber erst einmal ging es zurück ins Hotel und das erste Mal hatten wir mehr als ein halbes Stündchen Zeit uns frisch zu machen und etwas auszuruhen. Und so ging es ganz entspannt zum Abendessen, diesmal hatten wir persönlich bei einem zufällig auf dem Weg vom Marktplatz zum Parador liegenden Restaurante Calle Mayor reserviert.

Landschaft bei Atienza

Mittags, als wir reservierten, machte einen sehr guten Eindruck, ein Eindruck, der auch abends nicht enttäuscht wurde. Das Ambiente war ansprechend, der Service war voll konzentriert bei der Sache, wir wurden schnell und freundlich bedient und das nicht nur anfangs, sondern den ganzen Abend hindurch.
Nun ist ein kompetenter und netter Service zwar sehr wichtig, aber das Essen sollte auch schmecken und das tat es dann auch. Zwar war das Dinner im Hotel Palacio Eugenia de Montijo in Toledo sehr gut gewesen, aber nicht vergleichbar, da wir hier ein großes Menü bekamen, wo jeder Gang für sich einfach nur gut waren. Es begann mit feinen Scheiben von der Entenleber, weiter ging mit geräuchertem Sardinenfilet auf Zucchini- und Auberginenscheiben und gratiniertem Stockfischmousse auf Paprika.

Hauptgerichte und Dessert bestellte man a-la-carte. Ob Lamm, Stockfisch, Lachs, geschmorte Schweinefüßchen oder die Desserts wie Ziegeneiscreme mit Honig oder Schokoladen-Soufflé mit Minzeis, alles waren ausnahmslos ausgezeichnet. Das Restaurante Calle Mayor war eine angenehme Überraschung, aber auch das Nachtleben von Sigüenza, welche einige von uns noch länger testeten, gab mehr her als erwartet.

Altar in der Kirche von Atienza

Sonntag

Sonntag war unser letzter Tag der Reise, aber erst abends sollte sich unser Flieger in Richtung Düsseldorf erheben und so verblieben uns noch einige Stunden Zeit. Nach dem Frühstück setzte sich der Bus in Richtung Atienza in Bewegung. Nach einer Stunde Fahrzeit erreichten wir den Ort. Der erste Besichtigungspunkt war die Kirche Santa María del Rey, ein präromanischer Bau und die älteste Kirche des Ortes. Danach marschierten wir langsam durch den Ort und hielten uns etwas länger am Platz La Plaza del Trigo o del Mercado.
Am Ortsende, nachdem wir die ganze Zeit bergauf gegangen waren, erblickten wir über uns die Burg, die unser thronte. Was heißt hier Burg, es war eigentlich nur eine Art Turm zu sehen. Beim Marsch bergauf wurden allerdings noch Mauerreste und Treppen sichtbar. Erstaunlich wie sich die Landschaft mit jedem Meter veränderte: Die Farben wurden kräftiger und mit wachsender Höhe die Kontraste stärker. So schossen wir noch einige Fotos und machten und auf den Weg zum Essen im Restaurante El Mirador de Atienza.

Von außen sah das Restaurant wenig spannend aus, innen aber war stilvoll eingedeckt. Das Restaurant hat in der Region einen großen Ruf und kurz gesagt: Zu Recht.
Bei kleinen leichten Gängen wie Pastete vom Rothuhn und Wachtel, mit Pilzfarce gefüllter Porree, Creme von Zucchini mit Sommertrüffel, Zicklein mit karamelisierte Kirschen und mit Mandelpralinen gefüllter Pfirsich... - plus fünf weiteren Gängen. Den Abschluss bildeten, wie immer, Kaffee und auch Wunsch auch ein Digestif.
Wir machten und zügig auf den Weg, da wir mit Stau auf der Autobahn rechnen mussten. Aus dem Grund wichen wir auf Landstraßen aus, auf denen wir zwar etwas langsamer vorankamen, aber noch viel von der Landschaft der autonomen Region Kastilien La Manche sehen konnten. Und so kamen wir zeitig am Flughafen an, der Flieger hob pünktlich ab, was uns Zeit gab die schönen Tage in Zentralspanien Revue passieren zu lassen.