Burg Málaga - Blick auf die Burg

Málaga - unvergessliche Tage während der Semana Santa

Was soll man mit Urlaubstagen im April anfangen? Die Badesaison hat auch rund ums Mittelmeer noch nicht begonnen und die Luft erreicht tagsüber meist nur eine Temperatur um die 20 Grad... Aber die Sonne lacht meist ungestört vom Himmel: Das richtige Wetter für eine Städtereise, die ideale Zeit um etwas zu erleben.
Obwohl in Spanien rund ums Jahr gefeiert wird, ist der April ideal, um tief in die spanische Geschichte mit ihren noch heute lebendigen Traditionen einzutauchen - ein wohltuender Kontrast zu deutschen Volksfesten mit ihren oft belanglosen Attraktionen und den anscheinend zwingend notwendigen Alkoholexzessen.
Die Semana Santa ist in Spanien die große Zeit der Prozessionen. Wer in dieser Woche zum Beispiel andalusische Städte besucht, der wird ziemlich schnell von einer friedlich-aufgeregten Festtagsstimmung in den Bann gezogen. Aber es ist eine Stimmung jenseits von übertriebenem religiös-bigotten Brimborium, auch Menschen anderer Konfessionen oder Glaubensrichtungen tauchen real und emotional schnell in der Masse ein.

Was sind Prozessionen eigentlich?

Prozession der Bruderschaft Sentencia
Die Osterprozessionen in Andalusien muss man sich nicht als einen großer Umzug vorstellen, sondern als ein einwöchiges Event. In einer Stadt wie Málaga finden zeitgleich unterschiedliche Prozessionen statt, die auf verschiedenen Routen unterwegs sind und nur in der Altstadt hintereinander ziehen, sich später aber wieder trennen. Dies liegt daran, das jede Prozession von einer anderen Kirche aus startet und dort auch wieder endet, da in der Kirche die Tronos (außerhalb von Málaga meist Pasos genannt) aufgewahrt werden.
Tronos sind Gestelle an denen vorne und hinten zahlreichen langen Stangen befestigt sind. Diese Konstruktion ist notwendig, damit bis zu 250 Menschen die Tronos tragen können. Auf der Unterkonstruktion befinden sich wertvolle und aufwendig hergestellte Marien-, Christus- oder Kreuzwegstatuen.
Jede Prozession führt mindestens zwei Trono mit sich. Neben den Tronos sind Nazarenos (Gruppe von Büßern) mit ihren langen Mänteln und Spitzhauben und Musiker, Trommler und Bläser, wichtige Bestandteile eines jeden Prozessionszuges.
Bruderschaft Zamarrillo auf der Calle Marmoles Trono der Bruderschaft Zamarrillo auf der Calle Marmoles
Die Organisation der Prozessionen wird von Hermandades (Bruderschaften) durchgeführt, also von Männern und seit einigen Jahren auch Frauen, die aus einer (Kirchen-)Gemeinde stammen und die durch die Mitgliedschaft oft ihr Leben lang miteinander verbunden bleiben, selbst wenn sie inzwischen weggezogen sind und woanders leben und arbeiten. Prominentestes Beispiel ist der Schauspieler Antonio Banderas, der auch heute noch jedes Jahr während der Semana Santa in seiner Heimatstadt Málaga weilt.
Prozession gibt es übrigens seit dem 16. Jahrhundert. Sie waren eine Reaktion der katholischen Kirche auf die Reformation. Durch die Prozessionen sollte der Bevölkerung, die zum größten Teil Analphabeten waren, die Passion Christi verständlich gemacht werden.

Reise nach Málaga

Kapelle Manchmal wurde es laut
Am letzten Dienstag vor Ostern landete unsere Reisegruppe in Andalusien, auf dem erst drei Monate alten Flughafen von Málaga. Die Sonne schien, es war etwa 19 Grad warm und es wehte ein recht kräftiger Wind. Nach dem Einchecken im Hotel Málaga Centro machten wir uns auf den Weg zum ersten Mittagessen, das sich, wie in Spanien üblich, fast drei Stunden hinzog. Im Restaurant La Cepa wurden uns verschiedene Tapas serviert, unter anderem Oliven, Garnelen, Kartoffelsalat mit Stockfisch und Orangen, kleine Muscheln, gebratene Sardinen, Minirotbarben und fritierte Fischwürfelchen. Als Dessert gab es danach verschiedene Petit Fours.
So gestärkt machten wir uns auf den Weg. Die Straße vor der Kirche war bereits voller Mitwirkenden und Zuschauern, die dem Schauspiel beiwohnen wollten.
Großvater mit Enkel Stolzer Großvater
Man kannte sich, unterhielt sich oder stand beobachtend dabei. Ein wichtiges Mitglied der Hermandades Sentencia wurde gerade interviewt, während ein Großvater mächtig stolz seine kleine Enkelin präsentierte. Kurz, es gab viel zu sehen. In der Hermandades Sentencia ist auch Antonio Banderas Mitglied, er ist zwar auch anwesend, aber unter einer Kapuze nicht identifizierbar.
Nach einer Weile wurden die Zuschauer in Richtung der Bürgersteige geschoben, die Kirchentore öffneten sich und die Prozession begann. Unter Trommelbegleitung und Schwenken von wertvollen Weihrauchgefäßen - wie könnte es bei einer Prozession auch anders sein - setzten sich die ersten Fußgruppen in Bewegung. Dabei ging es nur langsam voran, schließlich bestimmten die Hombres de Trono, die Träger der schweren Christus- und Marienstatuen, das Tempo. Als der gesamte Prozessionszug mit Musikgruppe und Nazarenos (Büßern) vorbeigezogen war, machten wir uns langsam auf den Weg zurück. Wir kamen nur langsam voran, schließlich waren noch andere Prozessionen auf den Straßen Málagas unterwegs, zum Beispiel die Spanische Legion, die frühere Fremdenlegion, aber davon später mehr.

Picassomuseum und keine Sonne am Strand

Warten auf die Prozession Semana Santa in Málaga: Wer einen guten Platz möchte, der muss früh aufstehen
Am nächsten Tag stand vormittags ein Spaziergang durch die Innenstadt auf dem Programm. Um die Zeit war es in der Altstadt von Málaga noch recht ruhig, so dass wir in Ruhe der Kathedrale der Stadt, der Burg mit seinem Amphitheater und dem Picassomuseum einen Besuch abstatten konnten. Bei einer Führung wurden uns exemplarisch einige der wichtigsten Werke des berühmtesten Künstlers der Neuzeit fachkundig erklärt.
Ein Rundgang durch das Picassomuseum gehört zu einem Málagabesuch einfach dazu, schließlich wurde Pablo Picasso 1881 in Málaga geboren und hat hier die ersten zehn Jahre seines Lebens gelebt, bevor die Familie nach Galicien umsiedelte. Das Mittagsessen nahmen wir an der Küste in einem der zahlreichen Strandrestaurants ein. Spezialität sind Sardinen, die traditionell über Holzkohle am Strand gegrillt werden. Sie schmeckten hervorragend. Leider war der Himmel bedeckt - das einzige Mal während unserer Tage in Málaga -, so dass nichts aus dem erhofften kurzen Sonnenbad wurde.
Bruderschaft Rico Die Prozession der Bruderschaft Rico endet bereits nachmittags
Nach einer kleinen Pause im Hotel ging es dann wieder in die Innenstadt, zum Plaza de la Constitución. Hier ist der ideale Ort, um alle Prozessionen des Tages mitzuerleben. Nicht ohne Grund wurde an dieser Stelle eine große Tribüne errichtet und zahlreiche Stuhlreihen für die Zuschauer aufgestellt. Für uns standen einige Stühle im Café Central bereit. So konnten wir das Geschehen mitbekommen und trotzdem zwischendurch etwas Essen und Trinken. Wir setzten uns und freuten uns auf das Spektakel. Die Stühle vor uns wurden nach und nach besetzt, augenscheinlich mit Einwohnern der Stadt, die meist seit vielen Jahren diese Plätze für die gesamte Semana Santa mieten. Alle kannten sich mehr oder weniger, so dass es permanent freudige Begrüßungen gab.
Hombres de Trono Hombres de Trono
Vor uns setze sich eine Familie mit zwei fein herausgeputzten Mädchen im Alter von etwas sechs und zehn Jahren. Die Mädchen hatten zudem geheimnisvolle Kartons mitgebracht, Kartons, die von ihnen wie Augäpfel gehütet wurden, dazu später mehr. Die erste Prozession zog vorbei. Es war die der Bruderschaft Salesianos. Sie gehört zur Iglesia de la Divina Pastora und stammt aus dem Jahr 1985 und ist damit eine der jüngsten Bruderschaften. Interessanterweise sind viele Hermandades Gründungen aus dem vergangenen Jahrhundert, wie auch Fusionadas, die der ersten Prozession folgte und recht mitgliederstark ist. Die Stimmung während der Prozession ist ausgesprochen entspannt. Mal hört man nur das Stimmengewirr der Zuschauer, mal nur Trommeln, mal nur Blasinstrumente oder auch beides zusammen. Es wird eine Art getragene Marschmusik gespielt, die sich für Mitteleuropäer doch etwas archaiisch-exotisch anhört.
Taube kurz vor dem Flug Taube kurz vor dem Flug
Einer der Höhepunkt der Nacht ist die Prozession der Hermandades Paloma. Hier kommen wieder die geheimnisvollen Kartons ins Spiel. Aus den kleinen Pappkartons wurden vorsichtig Tauben herausgehoben begutachtet, von den Umstehenden, bewundert und in dem Augenblick in dem der Trono mit der imposanten Marienstatue vorbei getragen wird, fliegen gelassen. Irgendwie nett, wie auf der gesamten Straße Tauben gen Himmel flogen. Einige suchten sich aber schnell einen neuen Sitzplatz, einer sagte das Dach des Trono besonders zu: Sie ließ sich dort nieder. Spät in der Nacht ging es zurück, schließlich standen am nächsten Tag noch interessante Punkte auf dem Programm.

Gründonnerstag: Parade der Spanischen Legion, der Höhepunkt der Semana Santa in Málaga

Cristo de la Buena Muerte Cristo de la Buena Muerte (Christus des schönen Todes)
Bei strahlendem Himmel besuchten wir zunächst das Museum "Cofradiá de la Esperanza" (Calle Hileras ). Hier konnte wir in Ruhe verschiedene Tronos und viele Exponate rund um das Thema Semana Santa bewundern und von allen Seiten fotografieren. Danach begaben wir uns zu unseren Plätzen vor der Kirche Iglesia de Santo Domingo. Hier wird jedes Jahr eine Militärparade von der Spanischen Legion abgehalten und Cristo de la Buena Muerte (Christus des schönen Todes) vom Hafen kommend dem Publikum präsentiert.
Viele tausend Zuschauer warteten geduldig auf den Beginn der Veranstaltung, unter Ihnen auch zahlreiche junge Leute, wiederum ein Zeichen, dass die Semana Santa von Jung und Alt als spannendes Event empfunden wird. Für uns Deutsche ungewöhnlich: die Bevölkerung hat keinerlei Berührungsängste gegenüber dem Militär. Ich muss zugeben, es ist ein riesiger Unterschied, ob man einem Schützenzug oder einem anderen Umzug zuschaut, oder ob eine echte Eliteeinheit aufmarschiert. Meine Gefühle und Gedanken während der Militärparade der Spanischen Legion waren doch gemischt, aber es hat mich beeindruckt.
Zuschauer Zuschauer während der Parade
Militärs und Prominenz nahmen gegenüber von uns Aufstellung. Schließlich war es soweit. Musik ertönte und die Soldaten marschierten auf. Höhepunkt ist die Präsentation von Cristo de la Buena Muerte mit entsprechender musikalischer und gesanglicher Begleitung und der nachfolgende Ausmarsch der Soldaten. Die eigentliche Prozession der Bruderschaft Mena mit den Soldaten der Spanischen Legion beginnt allerdings erst gegen 20.00 Uhr. Dann wird Cristo de la Buena Muerte erneut aus der Kirche Iglesia de Santo Domingo getragen und etwa sechs Stunden lang in der Stadt präsentiert.
Solange wollten wir nicht warten und so machten wir uns auf zum Mittagessen im Restaurant Strachan in der Calle Strachan im Herzen der Altstadt. Das Essen war hervorragend. Es gab verschiedene leckere Salate und als Hauptgericht Schwertfischsteak oder Fleischspieß. (Nicht wie an den anderen Tagen hauptsächlich Oliven, fritierte Gemüse Sardinen, Minirotbarben, Krabben und Muscheln). Auch der Service war tadellos: flink und freundlich.
Spanische Legion Die Spanische Legion ist angetreten
So gestärkt liefen wir zurück ins Hotel, machten uns ein wenig frisch und waren so bereit uns wieder ins Gewühl zu stürzen, schließlich gilt der Gründonnerstag als der Tag mit den meisten Besuchern. Diese Einschätzung konnten wir nur zustimmen. Sobald wir über die Brücke Puente de la Aurora kamen, wurde es sehr eng. Schließlich wollten wir weiter mitten hinein in die Altstadt. Da unsere übliche Strecke, die Treppe bei der Tribuna Pobres, beim besten Willen nicht mehr passierbar war, versuchten wir über Seitenstraßen ans Ziel zu gelangen. Es war nicht leicht, teilweise kamen wir gar nicht voran, was kein Wunder war. Die Straßen sind gesperrt, ein spontanes Überqueren ist nicht möglich. Nur wenn die Prozession stoppt werden die Passanten von den Ordnern auf die gegenüberliegende Straßenseite gelassen.
Absperrungen zum Kanalisieren der Massen Freitag früh: Die Absperrungen zum Kanalisieren der Massen
Um dies zu vereinfachen werden an neuralgischen Punkten stabile Durchlässe aus Stahl aufgestellt, die jeweils nur in einer Richtung benutzt werden dürfen. So wird das Gedränge einigermaßen kanalisiert, aber Wartezeiten sind trotzdem unvermeidlich. Auch wir kamen nur sehr schleppend voran, aber das war nicht weiter nervig, es gab schließlich mehr als genug zu sehen und auch die Ohren waren gefordert, um Musik- und Wortfetzen aus der allgemeinen Geräuschkulisse herauszufiltern.
Irgendwann waren wir aber dann doch an unserem Ziel dem Gebäude des Costa del Sol Tourist Board unweit der Kathedrale. Von der Terrasse im vierten Stock aus hatten wir einen guten Blick über die Stadt. Hier konnten wir uns auch mit Tapas und einem Glas Wein stärken. Einen besseren Blick auf die Prozessionen hatten wir allerdings von den Balkons in der ersten Etage.
Sardinenspiesse am Strand Sardinenspiesse am Strand
Im Gegensatz zu den anderen Tagen hatten wir von hier aus einen weiten Blick in beide Richtungen. Besonders beeindruckend war der Augenblick als die Hombres de Trono mit ihrer schweren Last schaukelnden Schrittes auf die Straße vor uns einschwenkten. Dies unfallfrei zu koordinieren ist sicherlich nicht leicht.
Die Eindrücke der letzten Tage machten uns mit der Zeit doch ein wenig müde und nach und nach verließen alle den gastlichen Ort, um langsam in Richtung Hotel zu schlendern. Die Straßen waren inzwischen etwas leerer, so dass es diesmal kein Gedränge gab. Am nächsten Morgen machte ich in der Früh noch einige Fotos vom weitgehend menschenleeren Málaga. Gegen 10.00 Uhr holte uns schließlich ein Bus ab, der uns dann zum Flughafen brachte. Die Tage werden unvergesslich bleiben und wenn in der nächsten Osterwoche günstige Flüge zu buchen sind, dann starten wir wieder in Richtung Andalusien. Wir wissen ja jetzt was uns erwartet.