Guayadeque

Guayadeque Tal

Luft 22°, Wasser 20°: Dezember auf Gran Canaria

Wer kennt sie nicht, die eigenen, plakativen Vorstellungen über ein beliebtes, einem selbst aber unbekanntes Urlaubsziel, wie da wären: "Da sind ja nur Deutsche (da kann ich ja gleich zu Hause bleiben), alles ist nur auf Tourismus getrimmt..." Man erwartet Palmen, Strand, einige Berge, Hotels, Menschenmassen, Discos, einige Sehenswürdigkeiten und das war es dann schon. So waren, etwas überspitzt gesagt, auch meine Vorstellungen von Gran Canaria, kurz gesagt, eigentlich hatte ich mir keine großartigen Gedanken gemacht. Natürlich lebt die Insel Gran Canaria auch vom Tourismus. Aber viele Einheimischen haben wenig mit den Touristen zu tun, es herrscht Inselalltag, die Menschen gehen ihrer Arbeit nach, zur Schule oder studieren, leben ihr Leben und die Urlauber werden, je nach Aussehen und Verhalten, gar nicht wahrgenommen oder belächelt. Auch die Landschaft Gran Canarias ist anders als viele Menschen es erwarten, es ist viel Raum, Natur und Licht zwischen den einzelnen Orten.

Dünen

Gran Canaria Dünen

Nach einem angenehmen Flug mit Iberia führte die Fahrt mit einem Bus auf der Inselautobahn nach Süden, vorbei an Supermärkten, Plantagen, Gewerbegebieten, Wohnhäusern, Palmen und Blumen, aber auch an Ausfahrten mit so bekannten Namen wie Playa del Ingles oder Maspalomas. Erfreulicher fürs Auge, die Bausünden hielten sich doch in Grenzen, die anderswo oft zu sehenden Bauruinen sind selten.
Hinter Puerto Rico hörte die Autobahn auf und fünfzehn Minuten später sind wir an unserem Ziel Puerto de Mogan angekommen. Da es schon recht spät war, blieb nur noch Zeit für ein Abendessen und die Vorfreude auf den nächsten Tag.

Ziegen

Ziegen

Las Palmas und das kanarische Museum

Am nächsten Morgen starteten wir früh in Richtung Norden zur Inselhauptstadt Las Palmas. Dort besuchten wir das kanarische Museum, ein lohnenswerter Besuch für alle, die sich auch nur ein wenig für Geschichte interessieren oder die Menschen Gran Canarias verstehen lernen möchten. Es findet sich dort neben Mumien, Schädelsammlungen und Töpferkeramiken auch eine Nachbildung der bemahlten Höhle Cueva Pinta. Auch eine Bücherei mit Publikationen über Gran Canaria ist angegliedert. Man sollte sich einmal bewusst machen, dass vor nicht viel mehr als 500 Jahren die Guanchen, die Bewohner der Kanaren, technologisch noch in der Steinzeit lebten. Als Kolumbus aufbrach Amerika zu entdecken, waren einige Kanareninseln, z.B. La Pama, noch unabhängig, d.h. noch nicht von den Spaniern erobert. Die Guanchen besiedelten vor 3000 Jahren von Nordafrika aus kommend die kanarischen Inseln, aber es gibt auch Indizien für ägyptische (teilweise wurden die Tote mumifiziert, was nur in Peru und Ägypten üblich war), phönizische und europäische Einflüße. Die Guanachen, auch Altkanarier genannt, errichteten Königreiche, die erst von den Spaniern zerstört wurden. Obwohl sie damals ihre Macht verloren und unterjocht wurden, leben heute noch eine große Anzahl von Nachkommen der Guanchen auf den Kanaren.

Galdar und seine prähistorischen Ausgrabungsstätten

Melenara Playa

Melenara Playa

Nach dem Besuch des Kanarischen Museums machten wir uns, um die Eindrücke noch zu vertiefen, auf den Weg Richtung Galdar. Auf dem Weg zur "Bemalten Höhle" besuchten wir noch kurz den Wochenmarkt von Galdar, Gelegenheit das eine oder andere Mitbringsel zu ergattern. Das eigentliche Ziel des Besuches in Galdar waren aber die prähistorischen Ausgrabungsstätten, die den Besuchern innerhalb eines erst im November 2006 fertiggestellten Museums präsentiert werden.
Die Säle der ständigen Ausstellung beherbergen eine erlesene Auswahl von archäologischen Fundstücken. Zu der Sammlung von außergewöhnlichem Wert gehören Götzenbilder, Malereien und verzierte Keramikbehälter sowie Stein- und Knochenwerkzeuge. Zu Beginn unseres Rundgangs schauten wir uns in einem der Vorführungsräue des Museums einen dreidimensionalen Film über die Welt der Ureinwohner und die einschneidenden Veränderungen, welche die Insel gegen Ende des 15. Jahrhunderts trafen, an.

Galdar

Galdar

Nach dem Film verschwand die vor uns liegende Wand und die echte Ausgrabungsstätte wurden hinter Glas sichtbar - sehr beeindruckend diese Gegenüberstellung von Geschichte und Gegenwart, von Ausgrabung und Darstellung der Vergangenheit durch modernste Technik. Danach ging es auf die eigentliche Anlage, welche mit Sonnensegeln gegen Witterungseinflüße geschützt ist. Über Stege und Plateaus kann der Besucher das Gelände von allen Seiten in Augenschein nehmen und sich mittels Videossystemen informieren.

Cudillero

Botanischer Garten

Innerhalb des Geländes liegt sie auch, die berühmte Cuevas pinada, die „Bemahlte Höhle“. In die Höhle ist ein Raum mit Glaswänden hineingebaut, damit weder erhöhte Luftfeuchtigkeit noch andere Einflüsse die Malereien schädigen können.
Nach dieser kulturhistorischen Exkursion ging die Fahrt weiter Richtung Westen, Ziel war das Landhaus Las Longueras im sehr grünen, fast südamerikanisch anmutenden Agaete-Tal.

Das Landhaus, 1895 inmitten von Bananen-, Orangen-, Papaya- und Avocadoplantagen erbaut, wurde vor wenigen Jahren renoviert und kann seitdem neun Doppelzimmer, eine Suite und etwas abseits eine Ferienwohnung anbieten. Das Landhaus ist ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen durch das Tal, zum Berg Tamadaba oder zum Hafen Puerto de las Nieves an; von dort ist man übrigens mit der Schnellfähre in nur einer Stunde auf Teneriffa.
Uns blieb leider nur Zeit für ein leichtes und leckeres Mittagessen, eine Hausbesichtigung und einen Kaffee, bevor es wieder in Richtung Autobahn und den Südteil der Insel ging.

Soriatal

Soriatal

Essen und Relaxen in Puerto de Mogan

Abends blieb ein wenig Zeit für einen Spaziergang durch den sauberen und hübschen Fischerort Puerto de Mogan, bei Temperaturen um die 20 Grad ein angenehmer Zeitvertreib, bevor wir das versteckt liegende Restaurant der Fischereigenossenschaft ansteuerten. Wie sich denken lässt, werden dort hauptsächlich Fisch und Meeresfrüchte aller Art, natürlich fangfrisch, aber auch sehr gekonnt, zubereitet. Der Blick auf den Hafen mit einigen Fischerbooten und diversen Yachten, die Meeresluft, das Essen und der Wein ließen einen vergessen, dass es Mitte Dezember war, in Deutschland ein eher kühler, nasser und windiger Monat.

Soriatalsperre.

Soriatalsperre

Von Maspalomas in Richtung Pico de las Nieves

Auch am nächsten Morgen ging es in Richtung Maspalomas. Ein wirkliches „Muss“ für alle Gran Canaria-Urlauber ist der Besuch der Dünen von Maspalomas, dieses einzigartigen Sandmeeres im Osten der Insel. Die seit 1987 unter Naturschutz stehenden Dünen sind bis zu eineinhalb Kilometer breit und wandern jedes Jahr zwei bis fünf Meter ins Landesinnere. Auch den Leuchtturm von Maspalomas besuchten wir, ein netter Ort, aber auch nicht atemberaubend, allerdings hat man von dort eine gute Aussicht über die Ostküste der Insel.

Danach wurde es doch etwas spannender, es ging in die Berge. Die Peripherie der Küstenorte lag schnell hinter uns, die Straßen wurden schmaler, bedeutend kurviger und es ging bergauf. Die Vegetation veränderte sich, die künstlich angelegten und bewässerten Gärten und die ursprüngliche Flora zeigten sich in ihrer ganzen Vielfalt. Etwa zehn Prozent der rund 1400 wildwachsenden Pflanzenarten auf Gran Canaria findet man sonst nirgendwo auf der Welt. Es dominieren die verschiedenen Wolfsmilchgewächse (Euphorbien), aber auch ein besonderes Liliengewächs, der Drachenbaum, sticht ins Auge.

Passatwolken

Passatwolken

Auf dem Pico de las Nieves

Zwischendurch finden sich aber auch immer wieder kleine Anwesen mit grünen Gärten oder kleinen Plantagen. Eine kleine Pause legten wir in einem schönen Berghotel, dem Aldiana Club Mirador ein und genossen den Blick über die wilde Berglandschaft, bevor wir uns auf den Weg zum höchsten Gipfel der Insel Picos de las Nieves machten.
Die 22 Grad Lufttemperatur, die auf Gran Canaria im Dezember auf Meereshöhte herrschen, darf man auf dem pico de las Nieves, in über 1900 Metern Höhe, nicht erwarten. In der Nacht hatte es sogar gefroren, aber da kein allzu starker Wind herrschte, war es mit einem Pullover auszuhalten.

Santa Lucia

Der Blick ließ uns sowieso fast alles vergessen. In nordwestlicher Richtung, hinter dem 80 Meter hohen Basaltfelsen Roque Nublo konnte man den Tejde erkennen, den auf der Insel Teneriffa liegenden, höchsten Berg Spaniens. Stolze 3718 Meter ist der Tejde hoch, höher als alle Gipfel der Pyrenäen oder der Sierra Nevada. Das Vergnügen währte allerdings nicht lange, Passatwolken zogen von Osten heran und innerhalb weniger Augenblicke war der Gipfel in den Wolken verschwunden.

Da sich auf die Dauer die kühlen Temperaturen leider doch bemerkbar machten, fuhren wir weiter. Entlang schmaler Straßen ging es, immer die grandiöse Landschaft im Blick, nach Artenara, einem hübschen Bergstädtchen mit grandioser Aussicht über die Bergwelt von Gran Canaria.
Nach dem superleckeren Mittagessen mit kanarische Kartoffeln, Mojos, Schinken, Käse, Schweinefleisch, Obst und Wein, ging es weiter in Richtung Nordosten, vorbei an Kiefernwäldern, einzelnen Eukalyptusbäumen, Feldern mit tiefgrüner Brunnenkresse, Orangenplantagen, abgeernteten Kartoffeläckern, und nebligen Tälern; kurz: es herrschte eine mild-romantische Herbststimmung, die - nach und nach hatten wir an Höhe verloren - in Las Palmas dem ewigen kanarischen Frühling wich.

Kolumbushaus

Kolumbushaus

Es war Freitag abend, am Hafen bummelten wir an modernen Marinas entlang, nahmen einen kleinen Aperitif und beobachteten die Menschen auf den Restaurantterassen. Später am Abend stand bei uns ein Besuch des zu recht weltbekannten Auditoriums auf dem Programm. Das Auditorium ist nach einem der bekanntesten Einwohner der kanarischen Inseln und einem der besten Tenöre des zwanzigsten Jahrhunderts, Alfredo Kraus benannt.
Im Sommerhalbjahr wird vor den Konzerten ein 100 Quadratmeter großes Fenster geöffnet, so dass man während des Konzertes seine Blicke über den Atlantik schweifen lassen kann. Wir mussten leider auf das visuelle Vergnügen verzichten, konnten so uns aber voll auf die Verführung der Philharmonieorchesters konzentrieren. Es standen Werke von Antorn Webern, Alan Berg und Erich Wolfgang Korngold auf dem Programm, Dirigent an dem Abend war Pedro Halffter (Madrid), die Erste Geige spielte Frank Peter Zimmermann (Duisburg). Anschließend ging es, als Kontrastprogramm, zum ausgiebigen Tapas-Essen zur zwar einfach eingerichteten und lauten, aber stimmungsvollen, empfehlenswerten Tapasbar Macabeo in die Altstadt Las Palmas.

Arguineguin

Telde und das Kolumbushaus

Der nächste Morgen sah uns nicht allzu zeitig, aber irgendwann saßen wir dann doch im Bus, besichtigten wir in Telde, der zweitgrößte Stadt von Gran Canaria, die Kirche de San Juan und schlenderten durch die sauberen Gassen, vorbei an alten Partizierhäusern, heimeligen Plätzen und sprachbegabten Papageien. Genau der richtige Ort um langsam wach zu werden.
Anschließend stand das Colombushaus in Las Palmas auf dem Programm, der ideale Ort um sein Wissen über Kolumbus, seine Reisen und seine Zeit aufzupolieren. Schließlich brach der offizielle Entdecker Amerikas von hier aus zu seinen Reisen auf.

Zum Mittagessen waren wir oberhalb des botanischen Gartens von Gran Canaria, im Restaurant Jardin Canario - Viera y Clavijo. Allein der Blick über das tropisch grüne Tal versetzt uns in gehobene Stimmung, und die Leistung der Küche und des Service tat das ihrige dazu, um eine lockere entspannte Stimmung entstehen zu lassen.
Der Dezember ist zwar nicht der blütenreichste Monat auf Gran Canaria, aber trotzdem ist ein Besuch des Botanischen Gartens „Viera y Clavijo“ ein Genuss. Die ausgedehnte Parkanlage ist mit 27 Hektar die größte ihrer Art in ganz Spanien, neben der Information und Erholung für die Besucher dient er auch der Forschung. Der Botanische Garten liegt südwestlich von Las Palmas und beherbergt viele einzigartige Pflanzenarten. Man sollte wissen, dass es auf den Kanarischen Inseln viele Pflanzenarten gibt, die auf dem Festland schon seit Jahrmillionen ausgestorben sind.

Im Archäologischen Museum

Auf teilweise verschlungenen Wegen erkundeten wir den Park, vorbei an Lorbeerwäldchen, stolzen Palmen aller Art, Wildolivenhainen und riesigen Kakteen. In der Luft über uns zogen einige Falken ihre Kreise, hungrig nach Beute Ausschau haltend. Abschließend machten wir noch einen Abstecher zum 569 Meter hohen Vulkan Pico de Bandama und fotografierten nach Norden hin Las Palmas und nach Süden hin den 200 Meter tiefen und 1000 Meter breiten Krater mit seinem angrenzenden Golfplatz. Der Blick über den nordöstlichen Teil der Insel ist ein "Muss" für jeden Inselbesucher. Da es langsam dunkel wurde, machten wir uns wieder auf den Weg nach Las Palmas, schließlich wollten wir noch ein wenig shoppen gehen. Unser Ziel war die Haupteinkaufsstrasse as Palamas, die Calle Mayor de Triana und seine Nebenstrassen. Bei milden Temperaturen war es ein Vergnügen zu bummeln und den Menschen bei ihren Weihnachtseinkäufen zuzuschauen.

Agüimes

Der spätere Abend sah uns schließlich in der Altstadt von Agüimes, einer wunderschönen kleinen Stadt sechzehn Kilometer vom Flughafen von Gran Canaria entfernt. Die Stadt Agüimes wurde 1487 zur Zeit des Zuckerrohr-Booms gegründet und diente als Wohnort für die Oberschicht und den Klerus. Heute ist Agüimes eines der kulturellen Zentren der Insel.
Unser letztes, wie immer gutes, Abendessen auf Gran Canaria nahmen wir im Restaurant “El Oroval” im Landhotel “Casa de los Camellos” in der Altstadt von Agüimes, ein. Das ehemalige Herrenhaus ist von zwei Innenhöfen mit Gärten umgeben, früher tätigten Händler hier ihre Geschäfte und ließen ihre Kamele versorgen.
Am nächsten Tag ging es leider zum Flughafen und von dort - mit einem wirklichkeitsnäheren Bild von Gran Canaria - nach Hause. Gran Canaria wird uns wiedersehen!

Hans-Joachim Franzen